Imker im Wandel der Zeit: Herausforderungen und Leidenschaft

Wir alle kennen den Honig als beliebten Brotaufstrich. Doch die Biene ist nicht nur für unsere Geschmacksnerven großartig, sondern auch für die Landwirtschaft von extremer Wichtigkeit. Der Kleinimker trägt mit mehr als 40% der Schweizer Bienenvölker also sowohl unser Frühstück als auch die Landwirtschaft auf seinen Schultern.

Eine Reportage von Fabio Stalder und Rufus Spyra

Frühstückstisch - Rufus Spyra
Frühstückstisch - Rufus Spyra

Um 6:30 Uhr klingelt der Wecker. Dann erstmal einen Kaffee um wach zu werden, und dazu… eine Scheibe Zopf mit einer dicken Schicht Honig. Für uns ist dies das übliche Frühstück, ohne das wir wohl nach der zweiten Chemielektion bereits energielos zusammenklappen würden. Bienen und besonders deren köstlicher Honig ist jedoch nicht nur für unsere Aufmerksamkeit während Chemiestunde so wichtig, sondern findet im Alltag noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten. Die Ägypter nannten Honig die Speise der Götter. Heute ist seine heilende Wirkung zwar nicht mehr so magisch wie früher, trotzdem verwenden viele Honig als Medikament gegen Schnupfen oder rauen Hals. Auch für die Obst- und Gemüseplantagen sind Bienen unentbehrlich: Der Ertrag vieler Äcker ist von einer regelmässigen Bestäubung abhängig. Wären die Bienen plötzlich nicht mehr da, würde nicht nur unser Frühstücksgenuss verloren gehen, sondern auch die weltweite Nahrungskette zusammenbrechen. Aber ein komplettes Aussterben der Bienen wäre wirklich eine abstruse Vorstellung , nicht wahr?
Es ist später Mittwochnachmittag. Die Stimmung einer verpatzten Französisch Prüfung liegt noch in der Luft, als wir in den Zug nach Belp einsteigen. Trotzdem sind wir voller Vorfreude, denn wir besuchen einen Imker. Am Bahnhof Belp treffen wir uns mit Markus Hänni, einem erfahrenen Imker und Vorstandsmitglied des Verbandes Bernischer Bienenzuchtvereine.

Markus Hänni mit einem seiner Bienenkästen - Rufus Spyra
Markus Hänni mit einem seiner Bienenkästen - Rufus Spyra
Markus Hänni ist leidenschaftlicher Imker und Mediensprecher beim Verband Bernischer Bienenzuchtvereine (VBBV). Die Imkerei ist neben seinem Beruf in der Technologiebranche sein Hobby. Er begann 1999, als er die Bienenvölker seines Grossvaters erbte. Leider musste er in einem kalten Winter den Tod all seiner Bienenvölker verkraften, woraufhin er sich vorerst aus der Imkerei zurückzog. 18 Jahre später ergriff ihn das Bienenfieber jedoch erneut. Seit 5 Jahren produziert er mit seinen Bienen Honig, Propolis, Wachs und Met und verkauft dieses lokal. Spannende Informationen zu seinem Imker altag gibt es auf seiner (Webseite)[https://www.imkerei-haenni.ch/]

Die Zukunft des Imkers

Nach einer kurzen Autofahrt erreichen wir eine idyllische Waldlichtung. Umrundet von schönen Wildblumen stehen dort acht Bienenkästen Marke Eigenbau. Begleitet von zwitschernden Vögeln und dem fernen Klang eines Traktors, zeigt uns Markus Hänni seine Bienenvölker . Es wird schnell klar, das Imkern ist seine Leidenschaft. Und damit ist er nicht allein. In der Schweiz gibt es zurzeit mehr als 15’000 Imkerinnen und Imker. Jeder von ihnen betreut im Durchschnitt 10 Völker. Doch schon seit geraumer Zeit sinkt die Zahl der Bienenvölker und Imker in der Schweiz. Vor ca. siebzig Jahren hielten Imker noch knapp doppelt so viele Völker. Mit diesem Bienenschwund ist die Schweiz aber nicht allein: In den meisten Ländern Mittel- und Nordeuropas sind ähnliche Entwicklungen der Völkerzahl zu verzeichnen. In den letzten Jahren hat sich diese Zahl jedoch stabilisiert. Gibt es also zu wenig Völker, fragen wir Hänni. Nein, im Moment reichten die Völker durchaus, versichert er uns, Imker müssten eher darauf achten, dass ihre Völker nicht andere Tiere aus deren Lebensräumen verdränge. Sinkt die Zahl jedoch weiter, laufen wir hier in der Schweiz Gefahr, längerfristig landwirtschaftlichen Ertrag zu verlieren. Glücklicherweise mangelt es zur Zeit nicht an Jungimkern. Momentan müsse man sich für die staatlich empfohlenen Imkerkurse sogar auf eine Warteliste setzen lassen, verrät uns Hänni. Die Vereine können sogar eine Verjüngung der Mitglieder feststellen.
Aussterben wird der Imker also sicherlich nicht. Doch das ist nicht die einzige Gefahr für den Schweizer Bienenbestand.

Hänni’s Belper Bienenkästen - Rufus Spyra
Hänni’s Belper Bienenkästen - Rufus Spyra

Von Klimawandel, Varroamilben & organischen Säuren

Auf der Lichtung herrscht reges Treiben, dagegen schienen sogar die Strassen in New York wie ein ruhiges Plätzchen. Überall um uns herum fliegen Bienen und sammeln Pollen und Nektar. Kein Wunder, denn es ist wunderschönes Wetter. Doch es ist nicht immer so. Bei Regen können die Bienen nicht fliegen. «Wir erleben viel mehr Extreme», sagt Hänni. Entweder ist es heiss und trocken oder die ganze Zeit feucht und nass. Die Bienen und deren Imker spüren diese Extreme natürlich. Doch die indirekten Effekte sind deutlich gefährlicher: Der Lebenszyklus einer Biene ist stark von der Blütezeit abhängig. Verändert sich diese, wie zum Beispiel durch den Klimawandel, geraten die Bienen aus dem Gleichgewicht und beginnen zu früh oder zu spät mit der Nektarsammlung. Wenn es dann noch nass oder kalt ist, kann es den Bienen schwerfallen, ausreichend Nahrung zu finden. Besonders im Mai, einem Monat, in dem es eigentlich alles im Überfluss geben sollte, müssen die Imker heutzutage immer häufiger nachfüttern. Für betreute Bienen ist die Nahrungsknappheit zwar nicht so ein grosses Problem, doch Wildbienen und anderen Insekten leiden enorm darunter.Sie werden von niemandem gefüttert.

«Wir erleben viel mehr Extreme» Markus Hänni

Varroamilben Auffangbehälter - Rufus Spyra
Varroamilben Auffangbehälter - Rufus Spyra

Doch nicht nur der Klimawandel bedroht die Bienen. Markus Hänni zeigt uns einen Varroamilben Auffangbehälter. Darin befinden sich verlorene Pollen und ein paar herumirrende Ameisen, Varroamilben aber nur wenige. «So sieht es jedoch nicht immer aus». Zweimal pro Jahr lässt Hänni organische Säuren in den Bienenkästen verdunsten, welche die Varroamilben abtötet. «In jedem Bienenvolk hat es Varroamilben. Da kommt man nicht drum herum», erklärt uns Hänni. Die Varroamilbe befällt Bienenvölker und schwächt sie, indem sie sich in einzelne Bienen hineinbeisst und von deren Fettkörper frisst. Es kann zu Krankheitsübertragungen kommen. Im Extremfall kann es sogar zum Sterben einer ganzen Kolonie führen. Ursprünglich stammt die Milbe aus Ostasien. Doch sie hat es im letzten Jahrhundert geschafft, auch ganz Europa zu erobern. Die europäischen Bienen sind sich diese Milbe jedoch nicht gewöhnt und sind daher auch nicht so resistent wie ihre asiatischen Verwandten. Dies führt in Europa zu einer erhöhten Nachfrage für Bienenimporten aus Asien. Verwendet man aber lokale Bienen, so muss man mit mehr Arbeit rechnen. «Wir machen die Bienen Brut frei. Dadurch kann sich die Milbe nicht fortpflanzen», erzählt Hänni. Wissenschaftlichen Fortschritt in der Behandlung von Varroamilben Befall gibt es jedoch nur wenig und wenn dann nur in der Anwendung der Säuren. Früher liess man die Säure einfach auf gut Glück in den Bienenkästen verdunsten. Heute verwendet man Verdunstungsgeräte, welche die Säure kontrollierter abgeben, und weiss, wann die Säuren den grössten Effekt hervorrufen.

«Es ist eine Säure, gesund ist sie sicherlich für die Bienen auch nicht. Aber man muss halt ebenfalls sehen, dass das Volk auch zugrunde geht, wenn man nichts macht» Markus Hänni

Markus Hänni macht ebenfalls darauf aufmerksam, dass man die Bienen nicht einsperren kann. «Die Bienen fliegen», sagt er. Wenn einer sich nicht gut um seine Bienen kümmert, dann werden die Krankheiten auch auf die umliegenden Völker übertragen. «Man kann Bienen nicht so einsperren wie andere Haustiere.»

Doch was geschähe nun, wenn es keine Bienen mehr gäbe?

Dazu hat Hänni eine klare Antwort. Die Bestäubung sei zwar nicht für alle Kulturen gleich wichtig, aber besonders Obstplantagen und die Rapswirtschaft würde sicherlich darunter leiden. «Beim Raps kann ein Landwirt mit etwa 30% weniger Ertrag rechnen. Obst gäbe es gar keins oder nur sehr wenig.»
In Europa sind über 80% der Nutzpflanzen auf Bestäubung angewiesen. Die Bestäubung erfolgt oft durch Bienen, aber auch durch andere Insekten wie Schmetterlinge und Käfer. Ohne die Bestäubung tragen Pflanzen oft deutlich weniger oder gar nicht. Würde die Biene also wegfallen, würde ein Grossteil des Ertrags verloren gehen. Laut IPBES, dem Weltbiodiversitätsrat, sind bestäubende Tiere für zwischen 250 und 600 Milliarden US Dollar Umsatz in der Weltwirtschaft verantwortlich.
Tatsächlich gibt es einen Markt, um Bestäubung zu vermieten. Diese ist besonders in der industriellen Landwirtschaft verbreitet. Selbst hat Markus Hänni aber keine Vermietung, denn man verwendet häufiger Hummeln oder Mauerbienen zur Bestäubung. Trotzdem profitieren die Bauern in der Umgebung von seinen Honigbienen und auch er selbst hat ein paar Obstbäume.

«Beim Raps müsste ein Landwirt mit etwa 30% weniger Ertrag rechnen. Obst gäbe es gar keins oder nur sehr wenig.» Markus Hänni

Ist die Schweizer Imkerei nun in Gefahr?

Nein! Doch einfach wird es nicht. Um es in den Worten von Markus Hänni zu sagen: «Ich denke, man muss sich diesen Gefahren, die da lauern auch, etwas stellen.» Die letzten Jahre sind sicherlich nicht die einfachsten gewesen und wer weiss schon, was in den nächsten Jahren passieren wird. Er selbst ist jedoch weiterhin fasziniert vom Imkern. Ob er sich um seine Völker kümmert oder die Küche für Honigproduktion in Beschlag nimmt, für ihn bleibt es ein Hobby, das er gerne so lange weiter betreibt, wie er kann.

«Wie bist du zur Imkerei gekommen?»
«Ich kam eigentlich zur Imkerei wie die Jungfrau zum Kinde, mein Grossvater übte dieses Hobby bereits aus. Als er starb, wussten wir nicht was mit den Bienen zu tun ist. Ich entschied mich dann dazu, sie zu übernehmen. Es war so ein Knall auf Fall. Ich habe dann für drei, vier Jahre geimkert. Damals war ich erst 18 Jahre alt. Und dann wurde plötzlich anderes interessanter und ich habe eine Pause gemacht. Doch vor 5 Jahren hat es mich wieder gepackt.»

(…)

«Geht die Bienenvölkeranzahl in der Schweiz runter oder bleibt die eher konstant?»
«Sie ist relativ konstant in der letzten Zeit. Was man sagen kann; in den 1950er und 1960er Jahren gab es etwa doppelt so viele Bienenvölker wie heute. Mittlerweile hat sich die Anzahl Bienenvölker aber ein bisschen eingependelt. Das Problem ist auch, dass es nicht mehr so viele Nahrungsquellen gibt wie zu dieser Zeit. Daher ist es wahrscheinlich gar nicht so schlecht, dass es auch ein bisschen weniger Bienenvölker gibt.»

(…)

«Und wie siehst du die Situation mit der Varroamilbe? Die hat in letzter Zeit häufiger für Schlagzeilen gesorgt.»
«Ja, es ist mühsam mit ihr, aber ja man hat sie einigermassen im Griff. Wir wissen mittlerweile, was wir gegen sie tun können. Ich denke, es gibt aber noch Luft nach oben bei der Behandlung von Varroamilben Befall. Wir brauchen nach wie vor organische Säuren zur Bekämpfung, was nicht so optimal ist. Wir versuchen, so wenig wie möglich davon einzusetzen. Ich selbst setzte stark auf biomechanische Methoden. Zum Beispiel simulieren wir eine Art Schwarm, wir machen die Bienen Brut frei. Dadurch kann sich die Milbe dann nicht fortpflanzen. Im Großen und Ganzen haben wir sie im Griff. Aber es gibt sicherlich noch Verbesserungspotenzial.»

(…)

«Wie siehst du für dich die Zukunft als Klein-Imker? Möchtest du weitermachen?»
«Absolut, unbedingt. Für mich ist es wirklich ein Hobby, das ich sehr gerne so lange weiter betreibe, wie ich kann. Auch wenn’s mich ein bisschen bindet und ich nicht so spontan wegkann wie andere. Für mich ist es wirklich ein wunderschönes Hobby und sehr faszinierend.»

Jahresbericht Agroscope 2018, Zugriff am 06.05.2023
HU Berlin, Publikation zu Klimawandel, Zugriff am 06.05.2023