Woyzeck heute - Eine zeitlose Darstellung gesellschaftlicher Probleme

1824 wird Johann Woyzeck in Leipzig hingerichtet. Vorgeworfen wurde Ihm drei Jahre zuvor der Eifersuchtsmord an Johanna Woost. Zwölf Jahre später im Sommer 1836 beginnt der Dramatiker Georg Büchner mit der Niederschrift des Dramas Woyzeck. Der Text handelt von Friedrich Woyzeck. Wie seine gleichnamige Inspiration ersticht dieser seine Geliebte. Büchner scheint jedoch ein anderes Licht auf die Geschichte von Woyzeck und wirft die Frage der Zurechnungsfähigkeit in den Raum. Woyzeck ist hierbei von verschiedenen gesellschaftlichen Problemen und Ungleichheiten betroffen, was schlussendlich zu Maries Tod führt. Im Anbetracht des Alters des Dramas lässt sich die Frage formulieren, ob sich Woyzecks Probleme immer noch in der heutigen Gesellschaft wiederfinden. Als Grundlage für diesen Text dient der Deutschunterricht am Gymnasium.

Woyzeck gehört in Büchners Stück der Unterschicht an. Die Oberschicht repräsentiert Büchner mit den Charakteren Hauptmann und Doktor. Die höhere Stellung über Woyzeck sieht der Hauptmann als Resultat seiner eigenen Tugend und Moral. Dieser betont, dass Woyzeck eigentlich ein guter Mensch sei, ihm jedoch die Moral fehle. Besässe Woyzeck diese, dann könne er aus der Armut entfliehen. Der Hauptmann selbst hält sich natürlich für moralisch. Erklären was Moral tatsächlich ist, fällt ihm jedoch schwer. Der Doktor hingegen nutzt Woyzecks Armut aus und verwendet ihn als Versuchskaninchen für Experimente. Woyzeck ist vertraglich dazu verpflichtet, jahrelang nur Erbsen zu essen. Als Woyzeck dem Doktor von Wahnvorstellungen und Schizophrenie berichtet, ist dieser entzückt und verspricht Woyzeck eine Zulage. Woyzecks mentaler Zustand ist dem Doktor hierbei völlig egal, denn dieser interessiert sich nur für sein wissenschaftliches Experiment. Hier sehe ich starke Parallelen zur heutigen Gesellschaft. Zum Beispiel ist den meisten Personen bewusst, dass die Kleiderindustrie unmoralisch ist, verdrängen dies aber. Billig Kleider kaufen zu können, ist vielen wichtiger als faire und gesunde Arbeitsbedingungen bei der Herstellung. Der Eigennutzen wird den Bedürfnissen der Arbeiter vorgezogen, genau wie es der Doktor bei Woyzeck macht.

Ein weiterer Faktor, der Woyzeck in die Verzweiflung treibt, ist seine Armut. Woyzeck hält es für unmöglich, aus seiner Armut wieder hinauszukommen. Während er den Hauptmann rasiert, sagt Woyzeck, dass er selbst im Himmel noch Arbeiten müsste. Eine ähnliche Hoffnungslosigkeit besteht auch noch heute. 27% der, von Eltern mit obligatorischem Bildungsabschluss geborenen, Kinder erreichen später einen tertiären Schulabschluss. Andere ebenfalls 27% dieser Kinder verbleiben auf dem Bildungsniveau de Eltern. Bei sehr gut ausgebildeten Eltern erhalten hingegen 70% ihrer Kinder eine tertiäre Ausbildung und nur 2.7% beenden die Schule nur mit obligatorischen Schulausbildung. Im europäischen Vergleich steht die Schweiz mit diesen Zahlen jedoch gar nicht so schlecht da. In Deutschland könne es 6 Generationen dauern, bis eine arme Familie das Durchschnittseinkommen erreiche, berichtete die OECD im Jahr 2018.

Der Mord an Marie ist schlussendlich ein Verzweiflungsakt Woyzecks, in letzter Versuch noch irgendetwas in seinem Leben kontrollieren zu können. Woyzeck leidet hierbei an Existenzangst und mentaler Instabilität. In nur einer Szene im gesamten Text erscheint Woyzeck wirklich glücklich. Leider nehmen Depression und Unsicherheit in der Gesellschaft seit ein paar Jahren stetig zu. Die Nachfrage nach Psychologischen Behandlungen steigt. Weiter nimmt die Mittelschicht ab. Während manche in die Oberschicht aufsteigen, sinken andere in die Armut ab. Ausserdem befürchten viele Leute, ihre Arbeit durch die Entwicklung von KI zu verlieren. Gleichzeitig herrscht immer noch Krieg in der Ukraine, so nahe wie er es schon länger nicht mehr getan hat. Auch die neuen Spannungen zwischen Iran und Israel sind besorgniserregend. Generell befindet sich die Welt in einer instabilen Situation, was perfekten Nährboden für Ängste und Panik bietet.

Georg Büchner verstarb 1837 an einer Typhus Infektion. Ihm war es leider nicht möglich sein Drama Woyzeck zu vollenden. Nichtsdestotrotz ist Woyzeck eines der meistgespielten Deutschen Stücke. Nicht zuletzt dank seiner vielschichtigen Darstellung sozialer Ungleichheiten, die zu grossen Teilen auch heute noch festzustellen sind. Es scheint fast so, als sei Büchner nicht nur seiner, sondern auch unserer Zeit voraus gewesen.

Dieser Blogeintrag entstand während den letzten Tagen der Frühlingsferien. Als ich den Auftrag vor 4 Wochen erhielt, setzte ich mir das Ziel, den Text vor der letzten Ferienwoche fertig zu schreiben. Eingehalten habe ich dieses aber nicht. Während den drei Praktikumswochen fehlte mir sowohl die Energie als auch die Motivation. Die Wochenenden verwendete ich für die Überarbeitung des Blogs zum Kritischen Denken sowie meine Maturaarbeit. Als ich dann letzten Montag mit diesem Text beginnen wollte, fiel ich in eine Schreibblockade. Ich zwang mich jedoch trotzdem dazu, einfach mal irgendetwas so schreiben, doch das Endresultat gefiel mir nicht. Schlussendlich fragte ich ChatGPT nach anderen Themen für einen Text zu Woyzeck. Ich wählte: «Ein Text zu Aktualität von Woyzeck». Es ist kein besonders einfallsreiches Thema, jedoch interessierte es mich viel mehr als das Vorherige. Durch Familienferien verzögerte sich die Verschriftlichung des Themas, aber noch etwas. Wodurch ich schlussendlich zwischen Donnerstag und Samstag diesen Blog schrieb. Komplett zufrieden bin ich mit ihm nicht. Was mich dabei am meisten überrascht ist wie lange ich am Schreiben des Textes hatte. Im Vergleich zum Kritischen Denken Blog sowie meine Arbeiten im Gymnasiums Jahr 1 und 2 fiel mir dieser Text deutlich schwerer. Wieso genau das so ist, bin ich mir noch unsicher. Wahrscheinlich kam ich in den letzten drei schulfreien Wochen etwas aus der Übung. Schlussendlich bin ich sehr froh, endlich mit diesem Blog fertig zu sein.