Beim Ideendrama handelt es sich um eine spezielle Form des aristotelischen Dramas. Das Ideendrama kann zwar keiner bestimmten Epoche zugeordnet werden, wurde aber besonders im 18. Jahrhundert häufig verwendet. Der Text Nathan der Weise von Gotthold Lessing gilt als Paradebeispiel eines Ideendramas. Genauso ist auch auch das Drama Iphigenie auf Tauris von Johann von Goethe als typisches Ideendrama bekannt. Ich möchte in diesem Blogeintrag den Begriff Ideendrama am Beispiel dieser beiden Texte ausführen und erklären.
Der Unterschied zwischen Ideendrama und aristotelischem Drama liegt hauptsächlich im Fokus, den die Dramen behandeln. Während ein aristotelischen Drama einer tragischen Hauptfigur und deren tragischen Konflikt folgt, liegt der Fokus einen Ideendramas viel mehr in der Behandlung einer philosophischen Ideen oder einem bestimmten Weltbild. Hauptfiguren und tragische Konflikte sind in Ideendramen weiterhin enthalten, jedoch ist die Intention eines Ideendrama weniger das Hervorrufen einer möglichst grossen Katharsis durch einen hohen Fall der tragischen Figur und mehr das Vermitteln eines Gedanken an das Publikum. Dies lässt sich in Nathan der Weise ganz klar sehen. Lessing schrieb dieses Ideendrama inmitten des sogenannten Fragmentenstreits. Dabei vertrat er seine Gedanken zu Gleichheit von Religionen und Toleranz gegenüber der lutherischen Kirche, besonders dem Pastor Goeze. Dieser Goeze lässt sich in der Figur des äusserst negativ dargestellten Patriarchen aus Nathan der Weise wiedererkennen. Lessings Position im Fragmentenstreit bildet die Peripetie des Dramas in der Form der Ringparabel. Seine Ideen zum Streben nach Wahrheit, von ihm benannt als aufrichtige Mühe, baut Lessing in eine der Hauptfiguren, den Tempelherren, ein. Der perfekte Aufklärer nach Lessing stellt hingegen Nathan der Weise, nachdem der Text benannt wurde, dar. Ähnliches lässt sich auch in Goethes Iphigenie auf Tauris entdecken. Hier stellt Iphigenie, die vom Opferaltar gerettete Priesterin, das nach Goethe erstrebenswerte Menschenbild dar. Passend zur Weimarer Klassik ist Iphigenie aufrichtig und humanitär. Pylades versucht, Iphigenie mehrmals dazu zu bringen, den König von Tauris Thoas zu belügen und zu täuschen. Schlussendlich ist Iphigenie dem König jedoch zu dankbar, um heimlich von seiner Insel zu verschwinden, und erzählt ihm von ihrem wiedergefunden Bruder Orest. Der König ist zuerst wütend und möchte sich mit dem Bruder duellieren. Orest entdeckt in diesem Moment jedoch die Wahrheit hinter Apollos Prophezeiung und überzeugt den König von jedem weiteren Streit abzulassen. Durch Iphigenies Aufrichtigkeit und Menschlichkeit nimmt die Geschichte ein gutes Ende ohne jegliches Blutvergiessen. Goethe vermittelt damit die erstrebenswerten Eigenschaften eines Menschen in der Weimarer Klassik und baut seine Vorstellung von erstrebenswerten Charakterzügen in Iphigenie ein.
Ideendramen fokussieren sich stark auf die Vermittlung eines Gedankens. Dies hat zur Folge, dass die tragischen Figuren und Konflikte selbst nach hinten rücken und dafür deren Handlungen und Dialoge in den Vordergrund treten. Besonders Dialoge zwischen Figuren kommt sehr viel Bedeutung zu, da dort die Gedanken und Weltbilder des Ideendramas am besten gezeigt werden können. Schauplätze und Vorgeschichten sind natürlich immer noch wichtig, werden aber weniger beschrieben oder dienen meist nur dem Vorantreiben der Geschichte. Dies äussert sich besonders in der sogenannten Typisierung. In Ideendramen stehen Figuren häufig nicht nur für sich selbst, sondern für eine gesamte Gruppe an Personen. Der Patriarch aus Nathan der Weise stellt nicht nur, wie bereits erwähnt, den Pastor Goeze, sondern generell jegliche fundamentalistische Obrigkeit dar. Der Tempelherr und der Sultan stehen hingegen für suchende Menschen. Leute, die den aufklärerischen Weg noch nicht gefunden haben, sich jedoch nach Lessing aufrichtig bemühen diesen zu finden. Und zuletzt Nathan der Weise, der perfekte aber immer noch menschliche Aufklärer. Lessing zeigt das auch Nathan nicht über jegliche Sorgen und Selbstzweifel erhaben ist. Obwohl er gegen aussen, wie der perfekte Mensch wirkt, steht er doch für all jene Menschen, die zwar die Aufklärung gefunden haben, jedoch wissen, dass auch sie nicht perfekt sind und noch lernen können. Iphigenie auf Tauris weisst ebenfalls verschiedene Typsierungen auf. Pylades stellt keinen schlechten aber einen trügerischen Menschen dar. Er plant hinter dem Rücken des Königs von Tauris zu fliehen und heimlich die heilige Statue der Diana zu stehlen. Iphigenie folgt zuerst Pylades’ Plan, kämpft jedoch mit ihrem Gewissen. Schlussendlich kann sie den König Thoas aber nicht hintergehen und vertraut ihm die Wahrheit an. Iphigenie repräsentiert das erstrebenswerte Menschenbild der Weimarer Klassik. Thaos reagiert zuerst erzürnt, erkennt dann jedoch, dass Iphigenie nur auf Grund seines Einwirkens so gehandelt hatte. Von Iphigenies Bruder zum Duell aufgefordert, zieht Thaos trotzdem das Schwert. Der König typisiert somit, genau wie Pylades, zwar keinen schlechten Menschen, wird jedoch schnell zornig und ist der Verwendung von Gewalt nicht abgeneigt. Dies sind beides Charakterzüge, die in der Literatur der Weimarer Klassik nicht als erstrebenswert gelten, und werden daher von Goethe auch nicht als zielführend dargestellt.
Ideendramen zeichnen sich dadurch aus, dass sie einen Fokus auf das Vermitteln von Gedanken oder Ideen und auf die Handlungen und Dialoge der Charaktere setzen. Sowohl Lessings Nathan der Weise und Goethes Iphigenie auf Tauris sind klar Ideendramen.Dies lässt sich an der starken Typisierung der Charaktere in beiden Texten erkennen. Auch sind in beiden Dramen Weltbilder des Autors und der damaligen literarischen Strömung vertreten. Daher gelten Nathan der Weise und Iphigenie auf Tauris nicht ohne Grund beide als Paradebeispiele eines Ideendramas.
Meine Hauptziel für diesen Blogeintrag war es eigenständig bzw. ohne Hilfe des Deutschunterrichts das Drama Iphigenie auf Tauris zu verstehen und zu analysieren. Im Hinblick auf die Maturaprüfungen wollte ich mich selbst testen und Iphigenie auf Tauris so lesen, wie eine Maturalektüre. Obwohl ich mich nur ein paar Stunden mit dem Text auseinandergesetzt und auch nur eine Quelle (Wikipedia) verwendet habe, bin ich zufrieden mit dem Ergebnis. Für einen Blogeintrag zum Thema Ideendrama, denke ich, reichte mein Aufwand, wäre Iphigenie auf Tauris aber meine Maturalektüre, müsste ich mich doch noch mehr ins Zeug legen. Besonders eine Analyse zum von Goethe dargestellten Frauenbild würde mich noch sehr interessieren.
Es fiel mir auf, dass es mir für diesen Blogeintrag nahezu zu einfach viel die Wörtergrenze zu erreichen. Zum Schluss musste ich ganze Teile streichen oder umformulieren im meinen Blogeintrag zu kürzen. Bei meinen vorherigen Blogeintragen viel mir das Erreichen der Wörtergrenze zwar nie schwer, aber auch nicht gerade einfach. Ich halte es für möglich, dass dies mit der Maturaarbeit zusammenhält. Da ich dafür zum ersten Mal einen wirklich grösseren Text schrieb, fällt es mir nun womöglich leichter auf knapp 600 Wörter zu gelangen. Sicher hat dies aber auch damit zu tun, dass ich in diesem Blogeintrag ein ergiebiges Thema an zwei Beispielen beleuchte und ich daher auch viel Stoff zum Schreiben hatte.